Auch wenn die beiden umfang- und materialreichen Bücher von Edmund Silberner inzwischen mehr von historischem Wert sind, sollten sie nicht unerwähnt bleiben, denn sie sind Pionierforschung auf dem Gebiet «Die Linke und das Judentum».
Silberner verweist in seinem Beitrag zur Ideengeschichte des Sozialismus auf eine alte Judenfeindschaft, die auch im Sozialismus ihre Tradition habe und zu deren Protagonisten er neben den frühen französischen Sozialisten oder dem anarchistischen Vordenker Michail Bakunin gerade auch Karl Marx zählt (1962: 7). Die Darstellung orientiert sich an Strömungen und insbesondere an ihren herausragenden Köpfen und kommt zu einem vernichtenden Fazit: Mit Ausnahme der Saint-Simonisten, die den Juden freundlich gesinnt gewesen seien, hätten die meisten bedeutenden Sozialisten des 19. Jahrhunderts die Juden als Verkörperung sozialen Schmarotzertums betrachtet (1962: 286). Als Vater dieses antisemitischen Sozialismus sieht Silberner den Franzosen Charles Fourier, der mit seiner Forderung nach einem wirtschaftlichen Numerus Clausus für Jüdinnen und Juden aber noch hinter den explizit geäußerten Vernichtungshoffnungen eines Karl Eugen Dührings oder Pierre-Joseph Proudhons zurückgeblieben sei.
Allerdings ist der Umgang Silberners mit den Quellen problematisch und spekulativ, manchmal auch naiv. Gerade sein Einblick in die marxistische Diskussion ist unzureichend. Wie manch andere das Verhältnis Sozialismus/Kommunismus und Judentum kritisierende Autor*innen wirft Silberner den linken Bewegungen und Parteien nicht in erster Linie ihre manifesten antijüdischen Elemente vor, sondern ihren Assimilationismus. Diese Kritik trifft ernstlich aber nur da, wo tatsächlich Assimilation als Forderung vorrangig an jüdische Menschen herangetragen wurde und eben nur dem äußeren Anspruch nach universales Bestreben nach Auflösung nationaler und religiöser Partikularismen war. Genau in dieser Ungleichbehandlung aber liegt das Problem und nicht in der universalistischen, antinational-internationalistischen Idee der revolutionären Arbeiter*innenbewegung im 19. Jahrhundert, die die Juden nicht um jeden Preis als «Volk» erhalten wollte. Silberner fordert nicht nur Gegnerschaft zum Antisemitismus, sondern «wahre Sympathie» für die Juden (1962: 295).
Silberner, Edmund: Sozialisten zur Judenfrage. Ein Beitrag zur Geschichte des Sozialismus vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1914, Berlin 1962: Colloquium Verlag.
Silberner, Edmund: Kommunisten zur Judenfrage. Zur Geschichte von Theorie und Praxis des Kommunismus, Opladen 1983: Westdeutscher Verlag.