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Der Berliner Mietendeckel wurde für nichtig erklärt – ein Kommentar von Stefan Thimmel.

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Protest gegen Zwangsräumung in der Dubliner Straße
Nachbar*innen protestieren in Solidarität gegen eine Zwangsräumung in Berlin-Wedding 2019. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Rechtlich ist es jetzt geklärt. Mit der Entscheidung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts ist eine landesrechtliche Mietpreisbegrenzung in Berlin für unzulässig erklärt worden. Aber das dieses Urteil zum «Mietendeckel» die soziale Spaltung in der Stadt verstärkt und das Problem des fehlenden bezahlbaren Wohnraums nur verschärft, steht nicht nur auf einem anderen Blatt Papier, sondern wird ganz real zu einer Bedrohung für die viele der 1.5 Millionen Mieter*innen in Berlin. Die einen werden triumphieren, schon Sekunden nach der Verkündigung gab es hämische Kommentare über den «Murksdeckel», wie die Junge Union Berlin den ernsthaften Versuch des Rot-Rot-Grünen Senats, die unbändige Mietenexplosion in der Mieterstadt Berlin für eine kurze Zeitspanne zu beruhigen, nannte. Und die anderen? Mehr denn je kommt es jetzt auf gesellschaftlichen Druck an. Und auf eine breite Unterstützung mietenpolitischer Bewegungen. Vielleicht entwickelt sich sogar durch dieses Urteil noch mehr Dynamik.  Jetzt erst recht! Keines der Ziele einer sozialverträglichen Mietenpolitik wird mit dem heutigen Urteil hinfällig.

Stefan Thimmel ist Referent für Wohnungs- und Stadtpolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Zudem müssen die Mieter*innen vor Nachzahlungen geschützt werden. Sowieso, aber erst recht jetzt in Zeiten einer Pandemie. Ausgerechnet Vonovia ist hier schon wenige Minuten nach Verkündung des Urteils vorgeprescht und hat angekündigt, keine Rückforderungen zu verlangen. Zuallerst müssen die landeseigenen Wohnungsunternehmen hier nachziehen und mit ihren über 330.000 Wohnungen schnellstens gesetzlich dazu verpflichtet werden, sich auch künftig an Regulierungen, wie sie der «Mietendeckel» vorgesehen hatte, zu halten. Zudem gibt es eine reale Perspektive, dass es mehr Wohnungen werden, die dem Mietenwahnsinn entzogen werden. «Nur die Enteignung und Vergesellschaftung von Wohnraum bieten die Perspektive für ein Berlin mit bezahlbaren Mieten – jetzt erst recht,» ordnet Jenny Stupka, Sprecherin der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen, das Urteil ein. Und dann ist der Bund jetzt gefordert, die Voraussetzungen für einen Mietendeckel zu schaffen. Nochmals: Jetzt erst Recht. Der Kampf um einen bundesweiten Mietendeckel und eine soziale Mietenpolitik wird weiter eines der zentralen Themen der nächsten Jahre bleiben müssen, nicht nur in den aktuellen Wahlkämpfen.