Nachricht | Deutsche / Europäische Geschichte Welzbacher: Das neue Frankfurt, Berlin 2016

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Als 1932 das Bau- und Stadtentwicklungsprogramm „Das neue Frankfurt“ zu einem vorläufigen Abschluss kommt, sind in 26 Siedlungen über 15000 Wohnungen erstellt worden. Beeindruckend sind auch die im Rahmen dieses 1925 begonnenen Programms erstellten, prägnanten Einzelbauten, wie Kirchen, Altersheime, ein Elektrizitätswerk oder die Großmarkthalle, die heute der Sitz der Europäischen Zentralbank ist.

Christian Welzbachers Buch führt in die institutionellen Bedingungen und die strategischen Absichten dieses Programms ebenso ein, wie es die verschiedenen Siedlungen und Bauwerke ausführlicher vorstellt. Hintergrund ist zum einen die in Frankfurt/Main damals gravierende Wohnungsnot und das Reformprogramm des linksliberalen Ludwig Landmann (geboren 1868). Der ist seit Herbst 1924 Oberbürgermeister und wird später wiedergewählt. Er holt mit Ernst Mayeinen bekennenden Linken als obersten Baubeamten an den Main. May wiederum bittet mit Mart Stam und dem dann 1929 ertrunkenen Adolf Meyer (nicht zu verwechseln mit Hannes Meyer) ehemalige Angehörige des Bauhaus und mit Margarete Lihotzky eine Sozialistin aus Österreich um Mitarbeit. Erfolgreich. 1925 wird das auf zehn Jahre angelegte, und vom Gedanken der Gartenstadt geprägte Vorhaben gestartet. Gebaut wird vor allem in den umliegenden Gemeinden und es entsteht das, was dann „Trabantenstädte“ genannt werden wird. 1926 erscheint die erste von insgesamt 43 Ausgaben.

Die Wohnungen sind standardisiert und verfügen über einen für damalige Verhältnisse hohen Standard (Balkon, Heizung, Bad) und die bekannte, von Lihotzky „erfundene“ Frankfurter Küche . Diese Standardisierung der Grundrisse und der Ausstattung senkt die Kosten; auch die Erstellung vor Ort wird sozusagen industrialisiert. Trotzdem sind die Wohnungen für ArbeiterInnenfamilien zu teuer, real ziehen vor allem Angestellte und kleine Beamte ein. Architektur ist im Verständnis dieser ReformarchitektInnen ein Instrument zur Verwirklichung des Glücks des Menschen, ihre Praxis basiert aber auf einem "Amerikanismus von links" („Grundlage der Frankfurter Küche war der Taylorismus“).

Ähnliche, wenn auch weit kleinere Vorhaben des sozialen Wohnungsbaus konzipieren Taut in Berlin oder Gropius in Dessau. Stam und Lihotzky arbeiten 1930-34 in der Sowjetunion. Landmann verhungert 1945 kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges in den Niederlanden, wohin er bereits 1939 vor den Nazis geflohen war. Er war 1916 aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, wurde aber von den Nazis als Jude diffamiert. 

Bernd Hüttner 

Christian Welzbacher: Das neue Frankfurt. Planen und Bauen für die Metropole der Moderne 1920 bis 1933; Deutscher Kunstverlag, Berlin 2016, 95 Seiten, 8 EUR

Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung“ (erscheint 1926-1931) im Digitalisat: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/neue_frankfurt

Weitergehende Information auf der vorbildlichen Internetpräsenz der Ernst-May-Gesellschaft http://ernst-may-gesellschaft.de/home.html